Unternehmer*innen für eine enkeltaugliche Wirtschaft von morgen
Interview mit Mimi Sewalski
“Ich warte noch auf den nachhaltigen Computer oder Duschvorhang. Aber wir arbeiten dran”
Mimi, du hast sehr inspirierende Sätze zur Nachhaltigkeit gesagt. Wie bist du überhaupt zu diesem Thema gekommen?
Eigentlich schon als Kind. Mein Opa war Jäger und ich komme eigentlich aus dem Naturschutz, war ganz viel im Wald, habe Heinz-Sielmann-Filme geschaut. Irgendwann in der 3. oder 4. Klasse habe ich mit einer Freundin angefangen Müll zu sammeln und den „Club der Mülleimer“ gegründet. Nachhaltigkeit war immer ein Hobby von mir und ich bin dann erst mit knapp 30 Jahren darauf gekommen, das beruflich zu machen.
Nun ist ja Nachhaltigkeit in aller Munde aber du hast selbst gesagt, es gibt Tage, an denen du das nicht ganz so ernst nimmst. Ist es wichtig, zunächst den Schritt in die richtige Richtung zu machen, ohne gleich perfekt zu sein?
Ich glaube, perfekt ist einfach nicht realistisch. Dass wir uns von heute auf morgen alle vegan ernähren, Jute-Klamotten tragen, unser Gemüse selbst anbauen. Ich glaube, dass nach dem dogmatischen Zeigefinger oft der Mittelfinger folgt. Und es ist schlauer, motivierend voranzugehen und sich einzugestehen, dass es auch mal einen Schritt rückwärts geht. Je mehr man das macht, desto weniger geht es ja auch rückwärts.
Du bist ja bei SINN|MACHT|GEWINN mit einer ziemlich steilen These angetreten: Für jedes kommerzielle Produkt gibt es eine grüne Alternative. Wie soll das gehen?
Nachhaltigkeit ist sehr dynamisch und es tut sich immer mehr. Für ein Produkt, das gestern bereits recht nachhaltig war, kommt morgen eins, das noch nachhaltiger ist. Zum Beispiel in der Mode durch die Entwicklung von Recycling zur Kreislaufwirtschaft. Es geht um den Prozess, das alles immer wieder zu verbessern. Es gibt auch Produkte, wo wir das nicht haben. Ich warte immer noch auf den nachhaltigen Computer oder Duschvorhang. Aber wir arbeiten dran, inspirieren Leute und fragen sie auch: Warum machst du es nicht nachhaltiger?
Viele und immer mehr Menschen sind in diesem Thema bereits unterwegs, dennoch gibt es immer wieder Rückschläge. Das ist manchmal frustrierend, aber du sagst: Resignation bringt nichts. Was kann man dagegen tun?
Resignation ist gefährlich, denn sie zieht einen runter und führt dazu, dass man gar nicht mehr handelt, wenn man denkt, das bringt jetzt ohnehin nichts mehr. Ich finde es aber wichtig, dass man immer weiter im Handeln bleibt. Ich kenne viele Menschen, die Sachen gern hundertprozentig machen. Aber dann ist man oft frustriert und rutscht schneller in die Resignation. Und deshalb betone ich immer wieder, wie wichtig die kleinen Schritte sind, denn sie werden zu größeren. Wenn man die Resignation erkennt und für sich beschließt, ich brauche jetzt mal eine Pause, dann kann man durchatmen und dann wieder mit klarem Kopf die kleinen und größeren Schritte gehen.
Wie können Menschen, die in dem Thema schon gut unterwegs waren, andere inspirieren, die das bisher ausgeklammert haben, weil sie beispielsweise bequem waren oder auch nicht richtig daran glauben?
Ich habe zunächst einen Tipp, was man nicht so häufig tun sollte. Nämlich genau diesen dogmatischen Zeigefinger. Wenn ich meiner Tante sage, du darfst kein Fleisch mehr essen, dann bin ich sicher, sie wird besonders viel Fleisch essen. Besser ist vielleicht, ihr etwas leckeres vegetarisches kochen und ihr gegenüber das gar nicht besonders erwähnen. Sondern sie einfach die tolle Lasagne probieren lassen und ihr dann sagen: Übrigens, die war vegetarisch.
Und das gleiche funktioniert für Nachhaltigkeit. Wenn ich Klamotten trage, sage ich nicht immer sofort, dass die nachhaltig sind. Wenn mir eine Freundin sagt: Das ist aber ein schönes Kleid. Dann antworte ich, wo ich es gekauft habe. Und dann: Übrigens ist das fair produziert und schadet der Umwelt weniger. Dann finden die das total spannend. Also erstmal den Style, die Qualität, das Coole. Gerade in der jungen Zielgruppe ist das Bildhafte durch Social Media sehr ausgeprägt. Und dann erst die Wörter Öko und Nachhaltigkeit. Wenn man das voranstellt, sind leider die Vorurteile immer noch so ausgeprägt, dass die Leute erstmal abschalten.
Das Interview führte Ronald Battistini.
Über Mimi Sewalski
Mimi Sewalski (32) ist Soziologin, Autorin und Geschäftsführerin von Avocadostore in Hamburg, Deutschlands größtem Online Marktplatz für Eco Fashion & Green Lifestyle. Seit 2011 baut sie den digitalen Store kontinuierlich aus und hat mittlerweile rund 500.000 nachhaltige Produkte im Angebot. Sie ist außerdem Autorin des Ratgebers „Nachhaltig leben jetzt!“ (gemeinsam mit Florian Gobetz).
Bei SINN|MACHT|GEWINN 2022 hielt Mimi ein überzeugendes Plädoyer für grüne, nachhaltige Produkte, die mittlerweile in vielen Lebensbereichen verfügbar und bezahlbar sind und fast jedes kommerzielle Produkt ersetzen können.
Zu Avocadostore: https://www.avocadostore.de/
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Veröffentlicht am 17. Oktober 2022